Unsichtbar

Laura Ellinghoven
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Psychisch kranke Menschen, als auch Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten, sind beide auf ihre Art oftmals unsichtbar.
Soziale Arbeit allgemein wird gesellschaftlich kaum wahrgenommen und wenig wertgeschätzt; Diese Berufsgruppen leisten ihre Tätigkeit
meistens im Hintergrund.
Auch psychische Erkrankungen sieht man niemandem an. Die davon Betroffenen leben unerkannt in unserer Gesellschaft.
Jeder Mensch kann zu jedem Zeitpunkt seines Lebens von einer psychischen Erkrankung betroffen sein, die man sich nicht aussucht.

Das Projekt setzt sich mit Frauen auseinander, die Krisensituationen begleitet oder durchlebt haben.
Psychisch Erkrankte, als auch in sozialen Berufen Tätige wurden dazu befragt, wie es ihnen während der Corona-Krise ergangen ist,
wie ihre Gefühlszustände waren und wie sie diese Zeit bewältigt haben.
Die Frauen wurden an Orten fotografiert, die für sie Rückzug und Auszeit bedeuten.
Den Bildern sind bewusst keine Namen zugeordnet, ebensowenig wie Informationen über den Status als Betroffene oder Betreuerin.
Auch die Ergebnisse der Befragungen sind als Texte anonymisiert, um offen zu lassen, aus welcher Perspektive sie stammen und damit eine neutrale Lesart zu ermöglichen.
































“Zuerst habe ich die Zeit des „Lockdown“ entspannend empfunden. Es gab weniger Verkehr und Lärm, ich konnte die Stille genießen und hatte Zeit für Garten und Haus und die Familie. In der Arbeit war es anfangs ebenfalls entspannter und ruhiger. Einzig die Umstellung auf den „Schichtbetrieb“ für die Büronutzung war eine organisatorische Herausforderung, die mich zunehmend mehr angestrengt hat, da ich z.B. bei ausgefallenen Terminen nicht einfach im Büro weiterarbeiten konnte, sondern mich irgendwo draußen aufhalten oder nach Hause fahren musste.
Auch im Privatleben empfand ich die reduzierten Sozialkontakte mit der Zeit belastender. Meine Anspannung ist mit der Dauer der Einschränkungen gestiegen. Das Warten auf neue Regelungen von Seiten der Regierung... all das hat mich stark beeinflusst, so dass ich mich momentan sehr erschöpft fühle.
Ich wünsche mir einen positiven Ausblick, etwas, auf das ich mich freuen kann, wie z.B. einen Urlaub oder die Aussicht auf etwas Schönes.”







“Am Anfang hatte ich große Probleme damit, einzuordnen, woher die Emotionen, die auftauchten, eigentlich kamen. Es hat lange gedauert, bis ich herausfand, dass die Trauer im Vordergrund stand, denn anfangs habe ich nur Wut gespürt. Wut ist ja immer ein Gefühl, das etwas anderes zudeckt.
Viele Pläne, die ich hatte, konnte ich nicht durchführen, Veranstaltungen, auf die ich mich gefreut hatte, wurden abgesagt. Es macht einen großen Unterschied, ob man selbst beschließt, niemanden zu treffen oder ob dies von „oben” verordnet wird. Damit hatte ich große Probleme.
Mittlerweile habe ich mich arrangiert und sage mir, dass es mir nicht weiterhilft und unnötige Energieverschwendung bedeutet, wenn ich mich aufrege. Wir haben eine Krise, an der ich nichts ändern kann.
Manche Dinge kann ich selbst beeinflussen (z.B. das Tragen des Mundschutzes), andere eben nicht.”

































“Meine Situation zu Hause ist außergewöhnlich, da mein Mann seit Januar im Homeoffice arbeitet. Durch die ungewohnte Nähe kommt es häufiger zu Stresssituationen.
Eigentlich wären wir jetzt 3 Wochen in Südfrankreich im Urlaub. Ich habe mich schon lange darauf gefreut und finde es jetzt „ätzend“, dass wir nicht fahren konnten.
Positiv ist, dass ich auf dem Land lebe, jederzeit in der Natur sein kann oder mit dem Hund Gassi gehen kann. Menschen, die momentan das Haus nicht verlassen können, haben es da viel schlechter. So geht es mir relativ gut.
Ein wenig Aggression spüre ich in mir, da unsere Freiheit so sehr eingeschränkt wurde.
Die Abstandsregelungen entspannen mich (z.B. bei Einkaufen) und ich spüre weniger Hektik und stattdessen eine Art Entschleunigung. Von mir aus könnte diese Regelung so bleiben.
Alle sehnen sich danach, ihre Freunde wieder zu sehen und in den Arm nehmen zu können. Im Moment kann ich mit diesen Beschränkungen noch ganz gut leben. Letzte Woche war ich mit meiner Tochter Eisessen und habe gemerkt, wie wichtig mir solche ganz normalen Unternehmungen sind.
Vor einer zweiten Corona-Welle habe ich Angst, da ich glaube, dass dies für viele Menschen psychisch kaum aushaltbar wäre. Ich hoffe, die Menschen bleiben weiterhin diszipliniert, damit es keinen Rückschlag gibt.”








“Es gibt Tage, da habe ich das Gefühl, alles falsch zu machen: Ich berühre die Türklinken, fasse in mein Gesicht, weil die Nase juckt… und denke nur, dass ich all das eigentlich vermeiden sollte. Mein Traum wäre ein Antikörpertest für alle, bei dem sich herausstellt, dass jeder bereits infiziert war. Dann könnte ich mich wirklich frei fühlen.
Ich bin froh, dass ich in einer glücklichen Beziehung lebe. Da ich kein Partymensch bin, sondern eher still und ruhig lebe, haben mich die meisten Einschränkungen nur wenig beeinflusst. Wir haben einen Garten, fahren viel Fahrrad und können auch in der Coronazeit viel draußen sein. Ich genieße es, mehr Zeit für den Garten zu haben. Schwierig war es für mich, als es einer Freundin schlecht ging und ich sie nicht besuchen konnte.
Umarmungen, Körperkontakt, einfach jemandem die Hand geben – das fehlt mir schon.”












































“Anfangs dachte ich, ich könne mit der Krise ganz gut umgehen. Da ich lieber zu Hause bin, als unter vielen Menschen zu sein, hatte ich mit den Kontaktbeschränkungen keine großen Schwierigkeiten. Irgendwann führte ich ein längeres Gespräch mit einem Arbeitskollegen, der paranoid ist und plötzlich konnte ich meine eigenen Gedanken zu Corona nicht mehr von den seinen unterscheiden. Das hat mir Angst gemacht.
Wenn ich jetzt Menschen sehe, die ihre Maske bei Einkaufen nicht ordentlich tragen oder den Abstand nicht einhalten, werde ich aggressiv. Diese Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit kann ich nicht nachvollziehen. Auch mich belastet das Maskentragen bei der Hitze, doch halte ich mich daran, da ich mich und andere schützen möchte. Ich glaube, dass viele Menschen denken, dass die Corona-Gefahr vorbei ist. Ich fürchte jedoch, dass der „große Knall“ erst noch kommen wird.
Die Menschen in meiner Umgebung wirken verändert – das empfinde ich manchmal bedrohlich. Wenn ich mich zuviel mit dem Thema beschäftige, macht mich das ganz verrückt. Daher versuche ich, innerlich Abstand zu gewinnen.”








“Da ich bereits vor der Corona-Zeit krank war und mich in Isolation befand, war der Übergang in den „Lockdown“ und das „Zuhause-bleiben-müssen“ fließend. Ich konnte die Zeit genießen, bin viel spazieren gegangen, war täglich mit den Kindern in der Natur und habe dadurch viel Neues in meiner Umgebung entdeckt.
Da die Kinder zu Hause bleiben mussten, war eine völlig neue Struktur notwendig und wir mussten uns zunächst neu finden. Das intensive Zusammensein hat uns auch entschleunigt – es gab ja kaum Termine.
Es gab dann eine Phase, in der ich „die Schnauze voll“ hatte. Da meine Nachbarin positiv getestet wurde, mussten meine Kinder und ich 14 Tage in Quarantäne gehen. Da hinter unserer Wohnung die Felder liegen, konnte ich wenigstens spazieren gehen und hatte meine Ruhe. Insgesamt hat mir in der Corona-Zeit nur wenig gefehlt und ich konnte Vieles genießen.”




































“Die ersten Wochen der Corona-Zeit waren für mich relativ entspannt, da ich eigentlich gerne für mich bin und mich gut beschäftigen kann. Nach einer Weile habe ich mich richtig alleine gefühlt. Es hat mich belastet, dass ich nur wenige Menschen zum Reden hatte und meinen Bekanntenkreis nicht mehr treffen konnte.
Nach langer Zeit sind meine Depressionen wieder aufgetaucht. Ich habe gemerkt, dass ich fast vergessen hatte, wie schlimm sich das anfühlen kann. Die vielen Coronasendungen im Fernsehen haben auch dazu beigetragen. Mittlerweile habe ich die Gefühle und Gedanken wieder im Griff und kann mich gut ablenken. Es tut mir gut, viel spazieren zu gehen.
Ich wäre sehr froh, wenn alles bald wieder normal sein könnte.”







“Mittlerweile bin ich wieder innerlich ruhiger.
Die Corona-Zeit war für mich sehr schwierig. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, was mit dem Virus auf uns zukommt, wie lange die Bedrohung dauern wird…all das hat mich extrem angespannt.
Ich musste gut auf mich aufpassen, mich nicht zu sehr vom Außen beeinflussen zu lassen oder mich von den
Hamsterkäufen der anderen Menschen anstecken zu lassen.
Es hat mir gut getan, dass ich viele Leute zum Reden hatte, das ich wieder arbeiten gehen konnte und jetzt auch regelmäßig das Fitnessstudio besuchen kann. All das hat mir geholfen, mich langsam entspannen zu können.”