Aus Solidarität -
Klimaaktivismus in Freising

               

Johannes Lesser
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Jeder kennt sie. Die mittlerweile Alltag gewordenen Nachrichten von Naturkatastrophen rund um die Welt. Die Satellitenbilder von abschmelzenden Polkappen. Oder die Nachricht, dass das aktuelle Jahr wieder das Wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen sein soll. Seit Mitte 2018 kamen zu diesen Meldungen Bilder von ganzen Massen junger Menschen, die gegen diese Entwicklungen demonstrierten. So wie der Klimawandel heutzutage auch für uns spürbar ist, sind auch die Proteste bis in die letzten Ecken des Landes gedrungen.

Für die Serie „Aus Solidarität“ habe ich mich daher mit dem Klimaaktivismus in meiner Heimatstadt Freising beschäftigt. Mein Ziel war es, die Menschen zu zeigen, die sich an diesen Demonstrationen beteiligen und dass sich hinter jedem Gesicht in diesen Menschenmengen ein Mensch mit eigenen Ansichten, Hoffnungen und Hintergründen verbirgt. Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich an vielen Aktionen der einzelnen Gruppierungen teilgenommen und mit den Aktivistinnen und Aktivisten gesprocchen. Freising ist eine Universitätsstadt 30 Kilometer nördlich von München. Der Aktivismus hat dort mittlerweile Tradition. Zunächst galt der Protest dem Flughafen München mit seinen ursprünglich geplanten 4 Startbahnen. Heute gibt es in Freising zahlreiche weitere Organisationen, die sich dem Ziel des Klimaaktivismus verschrieben haben. Dazu zählen Greenpeace, der Bund Naturschutz, Xtingtion Rebellion, Fridays for Future und das Solidarische Netzwerk Freising. Die Themen sind breit gefächert und gehen von lokalen Themen wie dem Kampf gegen eine geplante 3. Startbahn am Flughafen München oder ein Kohlekraftwerk im freisinger Norden bis hin zu bundesweiten Forderungen wie einer stärkeren Besteuerung von CO2.

2015 verpflichteten sich 196 Staaten im Klimaabkommen von Paris zu Maßnahmen, die die Erderwärmung im Verhältnis zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad beschränken sollten. Darunter auch Industrienationen wie die USA und Deutschland. Die USA traten von dem Abkommen 2017 unter Präsident Donald Trump wieder aus. Deutschland liegt weit hinter den eigenen Zielen zurück. Weltweit schlagen Klimaforscher Alarm. Die Folgen des menschengemachten Klimawandels lassen sich sowohl an globalen wie durch das Abschmelzen der Polkappen und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels, als auch an lokalen Ereignissen wie sich häufenden extremen Wettersituationen beobachten. Sollte es nicht gelingen den Klimawandel zu stoppen, wird er nach Ansicht der Forscher bald einen Punkt erreichen, an dem er nicht mehr aufzuhalten ist, was mit extremen Folgen für die Menschen in allen Teilen der Erde verbunden wäre.  



























Sophia



Was war der schönste Moment, den du bisher im Zusammenhang mit Klimaaktivismus erleben durftest?

Ehrlich gesagt, ist es kein Moment direkt. Ich finde es allgemein schön, dass ich mit ganz vielen Leuten in Kontakt gekommen bin, die super sympathische Menschen sind. Dass ich Neues kennenlernen kann, dass wir beim XR-Plenum oft einfach draußen im Garten sitzen... Das ist kein besonderer Moment aber es ist einfach ein schönes Gefühl. Man fühlt sich aufgehoben und merkt, dass da mehr Menschen sind, die genau das gleiche Ziel haben, wie man selbst.

Wie reagieren andere Menschen darauf, wenn du diese Themen ansprichst?

Es kommt darauf an, bei wem ich sie anspreche. Bei den Menschen, die mit dem Thema eh nicht viel am Hut haben, gehe ich mit ihm auch sehr sensibel um und versuche sie nicht zu nerven. Man will die Leute ja schon überzeugen und das geht nur, wenn du von ihnen nicht gleich einen kompletten Lebenswandel forderst. Aber Menschen, die mit dem Thema eh schon sehr stark sympathisieren, sind dann auch tatsächlich dankbar darüber. Letztens hat mir eine Freundin gesagt, dass ich diese Themen so gut rüberbringen könnte und dass sie sich dabei nicht unter Druck gesetzt, sondern motiviert fühlt, auch etwas zu machen. Ich dachte eigentlich, dass ich voll nervig bin, was das angeht aber sie hat erzählt, dass sie das motivierend findet.
Aber es gibt halt auch Menschen, die blöde Kommentare abgeben, weil sie einfach davon genervt sind.

Was bedeuten die Themen Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit für dich?

In Klimagerechtigkeit steckt ja „Gerechtigkeit“ schon mit drin. Es geht um Generationengerechtigkeit und auch Gerechtigkeit bei den verschiedenen Standorten. Der Klimawandel sorgt ja dafür, dass Menschen ihre Heimat verlieren. Wenn Kinder in 20 Jahren auf die Welt kommen, dann haben sie auch keine gute Zukunft, sogar wenn sie hier leben. Dementsprechend ist Gerechtigkeit auch wieder eine Ethikfrage. Es muss jeder für sich selber wissen, wie wichtig ihm Gerechtigkeit ist. Aber ich finde es ist etwas, wo jeder dahinterstehen sollte. Erzwingen kann man es natürlich nicht, aber wenn wir eine gerechte Welt anstreben, müssen wir das Klima wirklich schützen, weil sonst keine gerechte Welt möglich ist. Viele Gebiete würden unbewohnbar werden. Die Menschen wären alle viel zu sehr auf einem Haufen. Dadurch sinkt die Lebensqualität und diesen Gedanken kann man immer weiter spinnen. Der Klimawandel sorgt einfach für Ungerechtigkeit! So! Der Klimawandel sorgt für Ungerechtigkeit!

Welches Thema hat für dich die höchste Priorität?

Es gibt ja Zahlen, die sagen, was die Umwelt am Meisten beeinträchtigt. Dazu zählen Mobilität, Konsum, Ernährung, die Landwirtschaft hat einen großen Anteil, aber ich kann mir keinen einzelnen Aspekt herausnehmen, da alles zusammenhängt. Man darf nicht den Fehler machen, dass man sich dann z.B. ein Elektroauto zulegt und sich denkt „Ja, jetzt fahr ich nachhaltig, jetzt mache ich genug für die Umwelt“. Man muss trotzdem auch seine Ernährung anpassen und schauen, dass man regionaler, saisonaler einkauft, seinen Konsum von tierischen Produkten reduziert, nicht ständig shoppen geht, nicht bei H&M einkauft... Man kann sich da nicht nur auf eine Sache fokussieren. Geht nicht.

Hast du besondere Wünsche für die Zukunft?

Ich habe natürlich so eine utopische Vorstellung, in der fast keine Autos mehr unterwegs sind und die Menschen solidarisch miteinander leben und überhaupt mal wieder MITEINANDER leben und nicht aneinander vorbei und aufeinander Acht geben... Aber das ist eben eine utopische Vorstellung.
Alles was ich machen kann, ist, darauf hinzuarbeiten und auch, wenn es dann nur zu kleinen Prozentteilen in die Richtung geht, was ich und alle Leute die mithelfen erreichen können, dann war es das doch wert, solange man sich dieser Utopie nur ein bisschen annähert.
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen weniger egozentrisch sind und die Tragweite ihres Handelns berücksichtigen. Ich habe auch das Gefühl, dass die Menschen den Respekt vor dem Leben verloren haben, wenn man sich anschaut wie mit den Tieren und der Umwelt umgegangen wird. Das es wichtiger ist einen Parkplatz zu errichten, als die Bäume stehen zu lassen, die seit 50 Jahren dort stehen. Man hat keinen Respekt mehr vor der Natur und irgendwie auch viel weniger Respekt mehr vor den Menschen. Und hätte man Respekt davor, dann würde es einem auch wichtig sein, dass es jedem Lebewesen gut geht. Sowohl Menschen, als auch Tieren, als auch Wasauchimmer... Dann würde man die Umwelt auch nicht so kaputt machen, weil es einem wichtig wäre, dass sie erhalten bleibt.
Also hoffe ich, dass man diesen Wert wieder zu schätzen lernt und dann sein Handeln darauf ausrichtet.

Häufig sagen Klimaschutzgegner, dass all das doch heuchlerisch wäre, weil jemand z.B. Wasser aus einer Plastikflasche trink oder Lederschuhe trägt. Aber das ist totaler Quatsch. Wir sind in einer Welt aufgewachsen, die keinen besonderen Wert auf Klimaschutz legt und sich diese Gewohnheiten erst mal abzugewöhnen, die wir so stark etabliert haben und mit denen wir teilweise jahrzehntelang aufgewachsen sind, dauert natürlich und das ist ein Prozess. Du schaffst es nicht, von jetzt an keinen Müll mehr zu produzieren, nie wieder in ein Auto zu steigen und so weiter. Das bekommst du nicht von 0 auf 100 hin. Das dauert wahrscheinlich Jahre, um auf ein Niveau zu kommen von dem man sagen kann, dass man so leben kann, ohne das Klima komplett kaputt zu bekommen. Man darf sich dabei auch nicht komplett unter Druck setzen. Man sollte schon hohe Maßstäbe setzen und sich nicht darauf ausruhen, wenn man etwas schon gut macht. Man sollte schon versuchen, mit der Zeit immer besser zu werden, aber halt im eigenen Tempo.





“Mehr Raum für Menschen!” Eine Aktivistin während einer Aktion in der freisinger Innenstadt.






Demonstrierende während einer Mahnwache in Freising.







C


Was müsste sich deiner Meinung nach an der aktuellen Situation ändern?

Vorgestern habe ich in der ARD-Mediathek eine Doku über die Seawatch-3 und wie Carola Rackete da verhaftet wurde, gefunden. Und wenn man so was sieht, weiß man eigentlich direkt was falsch läuft. Ein Reporterteam des NDR war die ganzen 21 Tage lang auf dem Boot und berichtete, was da abgelaufen ist. Vorher hat man es halt in der Zeitung oder im Internet gelesen. Und gut, da hat man es halt gelesen. Aber jetzt die Bilder dazu zu sehen und die Reaktionen und sich vorzustellen wie die Leute sich da gefühlt haben... Und das passt halt in das Bild rein. Und wenn man die gesehen hat, wie in Italien angefragt wurde und Frankreich... In den ganzen Mittelmeeranreinerstaaten und hier haben alle mit der Schulter gezuckt und gesagt „dann fahrt halt wieder zurück nach Lybien oder wo auch immer. Was die Deutschen jetzt nicht so schlecht machen ist, dass der Entwicklungsminister Müller ganz gut ist und sich ziemlich engagiert. Ob das alles jetzt nur so wirkt, sei mal dahingestellt aber es ist ein Anfang. Und man muss mit den Flüchtlingen anders umgehen. Das funktioniert so nicht. Ich bin vermutlich der falsche Ansprechpartner, wenn es darum geht, was man jetzt sofort machen könnte. Was ich sagen kann ist, dass ich dagegen bin, dass die Flüchtlinge alle abgeschoben werden. Die müssen einfach aufgenommen werden. Man verbessert nichts dadurch, sie nicht aufzunehmen. Dadurch werden sich die Flüchtlingsströme nicht verändern, ganz im Gegenteil. Und logischerweise ist das Allererste, dass die Emissionen reduziert und die Naturgebiete wiederhergestellt werden müssen. Man muss die Natur die Natur sein lassen, damit auch die Emissionen wieder abgebaut werden können. Das ist das Allerwichtigste. Wenn wir das wiederherstellen, ergibt sich der Rest wahrscheinlich von ganz alleine. Wenn die Temperaturen nicht wärmer werden... Wobei ich vermute, dass man dafür schon ziemlich spät dran ist aber das bringt mich ja wieder zum Punkt, dass das allerwichtigste ist, die Natur wiederherzustellen und nicht Urwälder abzuholzen. Emissionen reduzieren ist ein i-Pünktchen für mich, auch wenn es natürlich gemacht werden muss, aber wenn es die Natur nicht kompensieren kann, ist es egal inwiefern man reduziert weil dann ist man schon viel zu weit hinten dran.

Wie weit darf Aktivismus deiner Meinung nach gehen?

Das muss wirklich jeder selber wissen. Das ist ein Schritt, über den jeder selber entscheiden muss, weil sich jeder auch selber dafür haftbar macht, was er da macht. Wenn ich weiß, dass ich als Aktivist für Greenpeace etwas mache, dann habe ich Greenpeace hinter mir stehen. Da habe ich dann auch Anwälte hinter mir stehen, die dann etwas machen könne, wenn was passieren sollte. Aber nichtsdestotrotz macht man das immer noch aus seiner eigenen Verantwortung. Aber das hat auch unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Wenn ich jetzt Aktivist bei Xtingtion Rebellion bin, dann weiß ich, dass ich komplett auf mich selbst gestellt bin. Und wenn sie mich da verhaften und irgendwo in ein Gefängnis stecken, dann habe ich selber ein Problem. Das ist jetzt bei Greenpeace oder anderen großen NGOs anders, da hast du immer noch ein großes Schiff hinter dir, das viel Geld hat und wo dir im Normalfall nichts passiert. Natürlich kannst du im blödesten Fall vorbestraft sein oder es gibt den Fall den man jetzt bei den Aktivisten in Frankreich hatte, die jetzt zu was weiß ich wie vielen Jahren Haft verurteilt wurden. Aber das sind absolut seltenste Ausnahmen, dass da wirklich mal was passiert. In den meisten Fällen passiert da nichts. Das sind halt Geldstrafen. Aber tatsächlich muss jeder für sich selber entscheiden, was er macht. Ich bin schon der Meinung, dass man damit einen wirtschaftlichen Schaden anrichten darf, aber es darf sich NIE irgendjemand verletzen, das ist ganz klar und logisch. Und das ist auch bei allen die oberste Prämisse. Aber ich meine, das hat man ja allein schon, wenn man wie letzten Herbst einen Braunkohlebagger irgendwo besetzt, dann steht das Ding halt und dann kostet das halt ein paar tausend Euro, wenn das Ding da einen halben Tag steht. So halt, aber ich will jetzt RWE nicht schaden.

Wie reagieren andere Menschen, wenn du sie auf diese Themen ansprichst?

Super. Ich habe ganz viele Bekannte bei Greenpeace, die meinen man würde dann immer blöd angeredet werden. Aber das Ganze hat sich in den letzten 2-3 Jahren gewandelt. Ich laufe jetzt nicht rum und versuche Leute zu belästigen, aber ich erzähle davon und es wurden in den letzten 2 Jahren so viele Leute beeinflusst, dass sich das Bild schon gewandelt hat. Ich habe letztens einen Bekannten besucht und dachte „Krass, der war mal komplett anders“ und wo man einfach merkt, dass der sich jetzt auch beteiligt. Früher hat der sich überhaupt keine Gedanken gemacht und plötzlich merkt man „AHA“. Wir haben dann geredet und da merkt man, dass da durchaus auch etwas passiert. Man hat da also im Kleinen schon einen Einfluss. Aber das ist dann auch der Schneeballeffekt.

Also stellst du auch fest, dass sich da gesellschaftlich langsam ein Bewusstsein entwickelt?

Definitiv! Also wenn du in den Medien schaust, merkst du schon, dass die Stimmung grundsätzlich noch schlecht ist, aber im Kleinen, in der eigenen Blase merkt man schon, dass sich die Leute beeinflussen und dass sich etwas ändert. Aber das ist ja ein Anfang und es heißt ja, dass es 10 Prozent kritische Masse braucht um etwas zu verändern und das sind dann nur noch 8 Millionen.

Hast du besondere Wünsche für die Zukunft?

Für mich wäre eigentlich bloß der Wunsch, dass mehr Leute verstehen, um was es geht. Ich glaube dass so 70-80 Prozent der Otto-Normalbürger es einfach nicht verstehen. Wobei verstehen auch gar nicht stimmt, sondern es ist ihnen einfach egal. Und diese Gleichgültigkeit ist etwas, das ich ganz schlimm finde. Mein Wunsch wäre, dass sich das ändert. Dass man sich einfach mal bewusst wird, was man eigentlich macht, wenn man in der Früh mit dem Auto zum Bäcker fährt, danach beim Aldi Convenience Food (= verarbeitete Nahrungsmittel) einkauft und mit dem Auto wieder heimfährt. Darüber sollten sich die Leute mal Gedanken machen. Das ist einfach das, wo das Verständnis irgendwie fehlt. Ich würde nie sagen, dass diese Leute zu dumm sind aber sie sind einfach gleichgültig. Das ist auch einfach das Hauptproblem unserer westlichen Gesellschaft, dass dieser Komfort, dieser Luxus in dem wir leben, das Ganze immer mehr anfeuert und auch diese Gleichgültigkeit im Endeffekt unterstützt. Selbst die Leute, denen es heute nicht so gut geht, denen geht es immer noch 1000 mal besser als den Menschen vor 100 Jahren. Und so einen Luxus wie wir ihn in der westlichen Welt heute haben, den gab es in der ganzen Geschichte noch nie. Da sollte man sich einfach mal Gedanken machen und anfangen, etwas abzugeben. Das wäre vielleicht mal nicht so blöd. Einfach mal daran zu denken, dass es einige Menschen auf der Welt gibt, denen es gerade nicht so gut geht wie uns hier. Das wäre schön. Jetzt während Corona ist es ja schon fast wieder etwas nervig mit den ganzen Leuten an der Isar, aber gleichzeitig ist es auch schön zu merken, wie einige gerade wieder merken, wie schön es hier ist. Dass ich mich nicht in den Flieger setzen und irgendwo hinfliegen muss, sondern mich auch in ein Boot setzen und die Isar oder die Amper runterfahren kann. Das gehört auch zu diesem Bewusstsein, dass man sich denkt: „Boah, die 3000€ All-Inclusive-Urlaub, die kann ich mir eigentlich sparen. Gehe ich lieber bei uns in den Biergarten und fahre die Isar runter.“






Plenumssitzung des “Solidarischen Netzwerk Freising” in einer nahegelegenen Gartenanlage







Suule



Das müsste sich deiner Meinung nach an der aktuellen Situation ändern?

Alles. Einfach richtig vieles. Es gibt kaum einen Bereich, in dem es jetzt so ist, wie es am Ende sein sollte. Erstmal müssen wir die Emissionen wirklich krass runter bekommen. Dafür muss man die Bereiche Mobilität und Lebensmittelverschwendung massiv reduzieren. Der größte Bereich wäre dabei für mich vermutlich Mobilität wie Fliegen und so weiter. Aber da kann man als einzelner Mensch noch weniger machen.

Wie reagieren andere Menschen, wenn du sie auf diese Themen ansprichst?

Das kommt ganz darauf an, was für Menschen das sind. Man bewegt sich ja natürlich in einer gewissen Bubble. Da sind die Menschen natürlich sehr gut informiert. Da spricht man die Menschen nicht mehr darauf an, sondern man spricht mit den Menschen über das Thema. Es gibt aber auch natürlich Menschen, die einfach nicht verstehen wollen. Und wenn Sie es verstehen, dann sehen sie sofort die Nachteile, wenn wir so etwas machen. Also ich glaube, dass die meisten Menschen dem Ganzen eher skeptisch oder negativ gegenüberstehen. Die meinen dann, dass man irgendwelche Änderungen machen muss, die ihr Leben schlimmer machen würden.

Meinst du, man müsste den Menschen mehr klarmachen was passiert, wenn sich an der aktuellen Situation nichts ändert?

Ich glaube wirklich, dass vielen diese Vision fehlt. Wie es entweder im schlimmsten Fall bald sein wird oder wie es sein könnte wenn wir das Ganze zum Positiven verändern. Aber ich glaube, dass es vielen schon im weitesten Sinne klar ist. Auch was die Konsequenzen für ihr Leben wären. Und genau deswegen wollen Sie diese Veränderungen nicht. Weil sie glauben, dass sie jetzt gerade so ein tolles Leben haben. Die meinen, sie hätten einen Anspruch darauf, jeden Monat in den Urlaub zu fliegen. Die müssen dann natürlich etwas ändern. Dann verlieren Sie vielleicht eine der wenigen Sachen im Leben die ihnen wirklich Freude bringt. Die wollen dann einfach von ihrem Luxus nichts abgeben. Glaube ich. Ich glaube aber für viele normale Menschen könnte es auch sehr viel Positives im tagtäglichen Leben bringen. Aber gerade die Erstgenannten würden so etwas niemals erlauben wollen.

Gab es Momente in denen du dir dachtest, dass das alles zu nichts führt?

Einen Moment hatte ich letztes Jahr. Wir haben Die-Ins mit Xtingtion Rebellion gemacht und waren dabei am Flughafen. Du liegst da am Boden, tust so als wärst du tot und machst dir bestimmte Gedanken, was du dir von der Aktion erhoffst. Dann macht man die Augen zu und hört einfach wie die Leute mit ihrem Koffer hin und her vorbei rollen. Und das eine Stunde lang oder so. Und dann hört man die alle reden und hört, dass von denen die Wenigsten überhaupt verstehen, worum es bei der Aktion geht. Mir sind dann wirklich die Tränen gekommen, weil das einfach so hoffnungslos ist. Dass es nichts bringt. Die Leute werden einfach so wieder in den nächsten Flieger steigen und kommen dann irgendwo glücklich an. Und machen dann einfach eine Saufreise oder Ähnliches. Und man weiß, dass man diese Menschen niemals erreichen wird. Die wollen so etwas nicht abgeben, weil ihr tagtägliches Leben so miserabel ist. Dass sie so etwas vielleicht wirklich brauchen, um sich irgendwie besser zu fühlen. Und Sie können sich das Leben so ohne so etwas nicht vorstellen. Es gibt richtig viele schöne, aber eben auch richtig viele depressive Momente. Dieser Aktivismus hat das alles die ganze Zeit mit sich dabei. In jeder Situation hast du beide Seiten. Oder sogar noch mehr, das Ganze ist komplexer.

Wie sähe eine optimale Welt für dich aus, wenn du träumen dürftest?

Bezogen auf Freising könnte ich mir vorstellen, dass mehr lokal stattfindet. Dass man Lösungen findet, um nicht jeden Tag nach München fahren zu müssen. Dass die Versorgung mit den Lebensgrundlagen lokal sichergestellt wird. Und dass die Menschen viel mehr miteinander kommunizieren. Das ist die allergrößte Lücke, die ich gerade sehe. Da sehe ich Gesellschaftsmodelle aus vielen anderen Ländern, in denen ich teilweise auch gelebt habe, die vielleicht besser funktionieren als das Westliche. Z.B. dass jede Ebene der Gesellschaft miteinander in Kontakt bleibt. Generationen- und Hierarchienübergreifend. Eine Freundin von mir meinte letztens ganz schön, dass es hilfreich wäre, wenn die Menschen wieder mehr Bezug miteinander hätten. So schöne kleine Abhängigkeiten. Bei uns schämt man sich ja, wenn man nur zum Nachbarn rüber geht und ihn fragt, ob er noch etwas Salz übrig hat. Hier warte ich lieber ab, bis die Läden wieder auf haben und kaufe mir dann selbst etwas. Das ist das Problem. Wir müssen nicht alles kaufen. Ich hatte mal einen Kumpel, der versucht hat, komplett ohne Geld zu leben. Man kann im tagtäglichen Leben sehr gut klarkommen, ohne einmal seinen Geldbeutel zu benötigen. Ich habe selber seit Wochen oder Monaten kaum etwas gekauft. Wenn du mit Menschen gut verbunden bist, und damit meine ich nicht ausbeuterisch oder so, dass du dein Leben auf Kosten anderer bestreitest, ist das auf jeden Fall sehr gut möglich. Jeder bietet etwas an und jeder bekommt etwas davon. In dieser gemeinsamen Schüssel, in der all diese Sachen zusammenkommen, passiert etwas.






Critical Mass in Freising 2020

Bei einer Critical Mass treffen sich scheinbar zufällig 15 oder mehr Fahrradfahrer, für die dann im geschlossenen Verbund im Straßenverkehr deutlich mehr Rechte gelten als normalerweise vorgesehen. Ziel des Ganzen ist es, auf das Fahrrad als Verkehrsmittel des Individualverkehrs aufmerksam zu machen und das "Recht auf Straße" seitens der Radfahrer zu untermauern. 






Hier finden derzeit die meisten Aktionen statt. Ein Abschnitt der verkehrsberuhigten Zone in der Innenstadt.







Ernst


Was bedeuten die Themen Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit für dich?

Klimagerechtigkeit heißt letztlich gutes Leben für alle. Wirklich alle. Alle Menschen, heute und morgen. Das ist für mich das Entscheidende. Und damit müssen wir so leben, dass das möglich ist. Und dafür müssen wir weit weit runter. Dafür müssen wir in den planetaren Grenzen bleiben, wobei das Klima dabei das kleinste Problem ist. Vielmehr die Ressourcen. Das Klima kann man viel leichter in den Griff kriegen und dabei tun wir uns schon so schwer. Wir schaffen es nicht mal aus der Braunkohle auszusteigen. Aber die Ressourcen... Wir verbraten die Ressourcen und haben keinen Peil wie das weitergehen soll. Wie soll denn die Menschheit noch 1000 weitere Jahre existieren, bei dem Verbrauch, den wir haben? Wir haben das in wenigen Generationen, vielleicht sogar schon in 1-2 Generationen so aufgebraucht dass da nichts mehr geht. Wir müssen endlich in einen geschlossenen Kreislauf kommen. Den Wenigsten ist bewusst, dass das Klima im Vergleich schon fast eine Lappalie ist. Ich meine die Klimazerstörung und das Artensterben brechen uns wahrscheinlich schon das Genick aber selbst wenn man das schafft, sind wir noch lange nicht über den Berg. Dann haben wir noch viel größere Dinge, die auch nicht viel mehr Zeit haben. Da reden wir vielleicht von ein paar Jahrzehnten aber dann ist es für das Thema auch schon zu spät. Wir sind da auch sehr stark in den Problemen drin. Und gutes Leben für alle bedeutet, dass alle gut leben können. Nicht im Überfluss, sondern mit dem, was man wirklich braucht. Wenn man dann denkt, wie schön das sein kann und die Freude die sich aus dieser Gerechtigkeit entwickelt, da ist das Materielle, das wir haben, gar nichts dagegen. Und das macht es meiner Meinung nach aus.

Was war bisher der schönste Moment, den du im Zusammenhang mit Klimaaktivismus erleben durftest?

Das Schönste sind eigentlich die Menschen. Als ich im Hambi war, was ich da für liebe Menschen getroffen habe. Oder auch hier in Freising. Einer meiner schönsten Tage war hier in Freising bei meinem 70. Geburtstag, als um die 40 Aktivisten da waren. Die haben mir so eine Freude gemacht. Mit denen zusammen zu feiern. Ich war früher immer einer, der nie so viele Kontakte hatte. Ich habe mich immer beruflich reingehängt. Viel zu viel eigentlich. Ich war damals bei der Bahn aktiv. Aber ich habe mich damals schon dafür eingesetzt, dass wir damit günstiger werden sollten. Weil wir nur so vom Auto weg kommen. Ich habe das schon in der Richtung gesehen. Als ich da losgekommen bin, habe ich mich immer weiter verändert. Immer weiter radikalisiert. Und habe damit erst die Menschen gefunden. Ob das jetzt im Hambi war, oder ob das jetzt in Freising ist. Das sind jetzt die Punkte, wo ich am Meisten die Menschen kennengelernt habe. Das ist so schön. Und auch die Disziplin, wie hier miteinander gesprochen wird, die Achtsamkeit, das ist eine Qualität, die ich früher vielleicht im engsten Familienkreis gefunden habe. Das habe ich quasi erst durch die jungen Leute kennengelernt. Und es fällt mir immer noch schwer, mich da immer an die Spielregeln zu halten. Weil man da noch so eingeübt ist. Mit Melden und so weiter. Aber das ist genau der Punkt. Jemand der bisher vielleicht noch nichts gesagt hat, hat sich bislang ja vielleicht nur nicht getraut. Das muss man dann erkennen. Weil vielleicht einer so dominant ist, dass die anderen gar nicht zu Wort kommen. Dieses Gefühl und diese Wertschätzung sind die größten Freuden die ich in dieser Richtung bislang so gehabt habe.

Gab es Momente, in denen du an deinem Weg gezweifelt hast?

Dass ich meine Zweifel habe, das ist ja völlig klar. Ich halte es sogar eher für wahrscheinlich dass wir es nicht schaffen. Aber deswegen darf ich nicht aufgeben. Den kleinsten Funken einer Chance muss ich waren, denn sonst würde ich mir Vorwürfe machen. Ich würde mich unglücklich fühlen, wenn ich sagen würde, dass ich jetzt aufgebe, und nur noch in die Berge gehe. Und nur noch wandern und nur noch klettern und so weiter. Oder ich fahre mit dem Fahrrad nach Italien, wo ich auch noch meine Freunde habe und so weiter. Das macht einen Riesenspaß, mit dem Fahrrad da runter zu fahren. Das sind alles so Dinge. Die Fragen alle: Warum kommst du nicht? Ja weil ich keine Zeit habe. Nur das zu machen wäre zwar schön, aber ich sage dass man die Prioritäten richtig setzen muss. Aber trotzdem müssen mal die eineinhalb Monate drin sein wo ich dann sage, dass ich trotzdem mal wieder runter fahre. Weil man das vielleicht auch braucht, um selber zu regenerieren. Aber das ist dann eher das Salz in der Suppe. Das muss dann die Ausnahme sein. Und dann hat man die Riesenfreude. Das gibt einem dann wieder die Kraft für das Weitere. Ich bin jetzt Pensionist und Rentner. Und ich könnte sagen: Ich mache jetzt nur noch das, worauf ich gerade Lust habe. Wobei ich ja genau daran eigentlich die Freude habe. Mir macht das ja am meisten Freude. Man darf auch gar keine anderen Gedanken aufkommen lassen. Aber ich glaube, dass mir das wirklich Freude macht. In der Hinsicht fühle ich mich glücklich in den unglücklichen Zukunftsaussichten die wir haben. Ich persönlich war selten so glücklich und so ausgeglichen wie jetzt. Ich habe das Glück, dass ich mit meinen Kindern ein sehr gutes Verhältnis habe. Ich fühle mich selber persönlich sehr glücklich. Aber ich weiß wie traurig die Aussichten sind.





Zusammenkommen beim gemeinsamen Lagerfeuer mit Musik







Katharina


Was war bislang das schönste Erlebnis, dass du im Zusammenhang mit Klimaaktivismus machen durftest?

Es ist schon ein gutes Gefühl, wenn du es dann geschafft hast etwas zu organisieren, von dem du dir etwas erhoffst. Gestern Abend z.B. als trotz Corona so viele Leute bei der Mahnwache waren. Da war ich dann schon froh dass das alles geklappt hat. Unsere erste FFF Demo war auch ein Meilenstein. Dass wir das nach Freising gebracht haben. Aber es ist dann schon so, dass es gerade in dem Kontext mehr Frustration gibt. Während der mit der ersten FFF Demo auf der ich war, hat parallel die Kohlekommission mit einem sehr ernüchternden Ergebnis getagt. Da denkst du dir: „Kohlekompromiss? 2037? Wollt ihr mich verarschen? Damit halten wir nicht mal die zwei Grad Grenze ein! Plus Entschädigungen.“ Ich kenne die rechtliche Situation nicht, aber ich würde sagen, wir besteuern jetzt mal CO2 wie es sich gehört. Und dann fliegen die von selbst aus dem Markt. Ich weiß nicht, wie das mit den Verträgen ist. Aber für solche Schäden finde ich, dass man auch Politiker verantwortlich machen sollte. Also von dem her ist es schon mehr Frustration. Und das gestern Abend war zwar schön, aber am Vormittag habe ich gelesen, dass jetzt das Konjunkturpaket durch ist. Es ist zwar nicht ganz so schlimm wie befürchtet, aber es wird sehr viel Geld ausgegeben, dass man auch besser hätte einsetzen können. Ich habe es noch nicht im Detail gelesen, aber ich glaube nicht, dass es jetzt so viel besser für die systemrelevanten Berufe wird. Ich habe eher das Gefühl, dass wir immer noch Autos verkaufen, auch wenn es jetzt E-Autos und Hybride sein müssen. Hybrid ist überhaupt keine Lösung. Auch keine Übergangslösung.
Es gibt natürlich schöne Momente, wenn du mit neuen Leuten was zusammen machst und wenn du zusammen etwas erreicht hast, aber tendenziell ist es eher frustrierend.

Was macht für dich Fridays for Future in Freising konkret verglichen mit den anderen Organisationen die in Freising ansässig sind, wie z.B. Xtingtion Rebellion oder dem Bund Naturschutz aus?

FFF hat einfach diesen Dringlichkeitscharakter. Natürlich setzen sich auch Greenpeace und der Bund Naturschutz dafür ein, aber ich hatte es nie so mit der Natur. Ich bin ein glückliches Kind gewesen, das den Garten gemieden und lieber ein gutes Buch gelesen hat. Am liebsten in seinem Zimmer wenn es nicht gerade nach draußen geschickt wurde. Ich habe das nicht so, dass ich sage: „Oh Natur da muss ich unbedingt raus!“ Ich meine, ich schätze die Natur in einem gewissen Maße, aber bin von der Geschichte her eher ein Drinnenmensch. Ich weiß aber, dass wir die Natur brauchen. Und es gibt diesen viel zitierten Satz: „Kein Tier ist so dumm sich den eigenen Lebensraum zu zerstören“. Auch aus dieser Motivation bin ich bei FFF. Ich bin auch schon am überlegen, ob ich mich beim Bund Naturschutz nicht noch stärker engagieren sollte. Aber es ist auch immer eine Frage der zeitlichen Kapazitäten. Und das Problem ist auch, dass Greenpeace z.B. in Moosburg ist und beim Bund Naturschutz weiß ich gar nicht so genau, was die in Freising überhaupt machen. Ich war auch selber nicht viel in Freising aktiv bis 2016 oder so. Da bin ich aus Passau wieder zurückgekommen und habe festgestellt: „Okay jetzt ist es Zeit, mich mehr zu engagieren.“ Deshalb bin ich auch nicht in den Agenda Gruppen obwohl ich weiß dass es da viele gibt, die auch sinnvolle Sachen machen. Das sind auch eher so Sachen die er auf langfristige Lösungen hinarbeiten und FFF ist eher: „Leute jetzt müssen wir anfangen und wir müssen jetzt was machen!“ XR fand ich eine gute Sache und habe auch überlegt da mitzumachen aber da habe ich den Anfang in Freising nicht so mitbekommen und es ist halt auch sehr schnell gescheitert. Es wollte eine demokratische Bewegung sein, aber gleichzeitig gab es auch gewisse Gründungspersonen, die da direkt ein schlechtes Licht darauf geworfen haben. Ich verstehe, dass man sagt: Wir besetzen jetzt mal Plätze. Aber nicht, dass man dann die Zugänge zu öffentlichen Verkehrsmitteln blockiert, und solche Dinge. Und dann gab es auch Probleme mit so Sachen wie Polizeigewalt. Es ist immer schwierig so eine Bewegung weltweit zu kontrollieren. Und FFF wird zumindest in demokratischen Ländern nicht als Bedrohung wahrgenommen. Und es gab auch von dem was ich bislang gehört habe, von FFF-Seite bisher noch nie Probleme mit Polizeigewalt. Und Polizeigewalt halte ich für ein schwieriges Thema. Es sind halt auch immer Menschen aktiv, die in ihrer Vergangenheit bislang negative Erfahrungen mit Polizeigewalt gemacht haben. Und FFF ist eben eine harmlose Bewegung. Es ist eine Massenbewegung. Und: Es ist dringend!

Wie weit darf Aktivismus deiner Meinung nach gehen?

Die Frage ist: Was ist Aktivismus? Zivilem Ungehorsam z.B. stehe ich durchaus nicht ablehnend gegenüber. Es gibt da ja auch einige Geschichten z.B. war Mahatma Gandhi auch ziviler Ungehorsam oder Rosa Parks und der Busboykott war auch ziviler Ungehorsam. Die Frage ist: Das kann man damit erreichen? Die einen sagen: Wir zahlen keine Steuern mehr, weil es ein Unrechtsstaat ist. Mit der Sklaverei etc.
Finde ich prima. Kann ich mir vorstellen. Ich kann auch sagen, ich besetze Plätze und mache darauf aufmerksam. Aber wenn ich regelmäßig einfach nur Straßen besetze, was ja hier in Freising auch schon gemacht worden ist, dann halte ich das für schwierig. Meine Schwester war im Bus, ist zu spät zur Arbeit gekommen und wusste überhaupt nicht was los war. Ich weiß nicht wie sinnvoll das ist, wenn man in der Früh die öffentlichen Verkehrsmittel blockiert. Man kann dann zwar sagen, man schadet den Arbeitgebern, aber ich glaube nicht dass das etwas bringt. Gewalt gegen Menschen lehne ich auf jeden Fall ab. Gewalt gegen Gegenstände muss sehr gut begründet sein. Bislang ist mir noch nichts eingefallen, mit dem man sagen könnte, dass man das legitimieren kann. Und es sollte vor Allem zielführend sein. Wenn die Leute sagen sie hassen dann diese Menschen, diese Umwelt-Ökos, die da die Straße blockiert haben und wegen denen sie zu spät in die Arbeit gekommen sind, dann schadet das der Bewegung. Und wir brauchen ja mehr Unterstützer. Ich habe darauf für mich noch keine gute Antwort gefunden. Und Ernst sagt er immer, dass wir was tun müssen und er bereit wäre alles zu riskieren, dann sage ich: „Ja Ernst, das ist ja schön dass du bereit bist aber wir müssen ja wissen, was wir hier machen. Alles riskieren, prima. Wenn dann die Klimawende kommt, dann auf jeden Fall. Aber du kannst alles riskieren, und alles was die sagen ist: Oh schaut mal her, der Ökoterrorist! Dann sperren sie dich ins Gefängnis. Dann bist du im Gefängnis und alles was du machen kannst, ist 5 Jahre nichts zu tun und es hat nichts verändert.“ Und da müssen wir uns irgendwie ein gutes Format überlegen, wie man Menschen erreichen kann. Wie man Menschen mit einbeziehen kann. Und was wir tun können. Und gerade das mit dem wie weit gehen ist halt wirklich eine gute Frage, weil wir wirklich ein dringedes Problem haben. Das jeden Tag dringender wird. Oder Besetzung von Kohlekraftwerken mit Ende Gelände habe ich auch überlegt. Letztes Jahr. Da gab es parallel von FFF die große Aktionen Aachen. Das ist massentauglich. Da bin ich mir sicher dass nichts eskaliert, weil irgendwelche Menschen ihre probleme mit der Polizei ausleben. Eigentlich hoffe ich, nächstes Mal nicht mehr überlegen zu müssen, weil wir das Problem bis dahin hoffentlich gelöst haben. 
































“Fridays for Future”-Demonstration in der Innenstadt und einer angrenzenden Hauptstraße. (Freising, 2019)






Till


Wie bist du dazu gekommen dich aktiver mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen?

Meine Schulbildung hat dazu beigetragen. Aber wirklich dazu kam ich erst nach der Schule. Ich habe nach dem Abi ein freies Jahr gemacht in dem ich einige Praktika gemacht habe und sehr viel im Wald war. Dann habe ich im November meinen Jagdschein gemacht. Im Rahmen der Jagdscheinausbildung lernt man eine Menge über Ökosysteme und warum Jagd wichtig ist. Wie Tierarten und Populationen zusammenwirken. Dadurch wurde mein Interesse für dieses Thema geweckt. Dazu kam, dass ich mit ein paar Freunden aus meinem Abi-Jahrgang im Sommer 2019 auf die ersten Demonstrationen gegangen bin. Das war damals die Großdemo in Aachen von Fridays for Future. Das war der erste große Großstreik. Fridays for Future entstand noch in meinem Abijahr und ich bin dann so 4-5 Monate später dazugestoßen. Als ich dazu kam, hat sich das Ganze in Freising gerade aufgebaut. Die erste Demo war gerade gewesen und ich habe dann direkt eine führende Rolle bekommen für die zweite Demo. Führend dabei nicht im klassischen Sinne. Ich habe Verantwortung übernommen und meinen eigenen Themenbereich organisiert und das war die Organisation der Ordnerinnen und Ordner. Was dann gleich bedeutet, den Polizeikontakt herzustellen und das mit der Stadt zu organisieren. Das hat mir gezeigt dass ich das ganz gut kann, und auch, dass das als Schüler- und heute auch sehr stark als Studentenbewegung wirklich etwas erreichen kann. Man organisiert immer mehr und wird dann als Ortsgruppe auch zu diversen Gelegenheiten eingeladen. Zum Beispiel zu Diskussionen, die vom Kreisjugendring organisiert werden. Und wenn man dann sieht wie gut die Anderen informiert sind und wie schwach man selbst noch informiert ist, dann sorgt das von ganz automatisch dafür, dass man sich tiefer mit der Materie auseinandersetzt. Irgendwann will man dann genug wissen, um seinen Standpunkt richtig vertreten zu können, was auch mein Ziel ist.

Wenn man sieht wie viel Zeit wir noch haben, dann würde das ja bedeuten, dass wir das Thema mit dem Kapitalismus jetzt lieber schnell angehen sollten oder?

Viele Ansätze, die in einer kapitalistischen Gesellschaft funktionieren würden, finde ich jetzt nicht unbedingt schlecht und der Vorteil wäre, dass die auch schnell umsetzbar wären. Eine CO2-Steuer auch in Form eines funktionierenden Emissionshandels bräuchten wir auch jetzt unbedingt. Wir haben ja Moment eine CO2 Bepreisung, nur ist sie noch lange nicht auf dem Niveau, das wir brauchen. Um langfristig und nachhaltig leben zu können, müssen wir viel weiter runter mit den Emissionen. Aber langfristig glaube ich nicht, dass wir mit diesem ausbeuterischen System weiterkommen.

Was denkst du darüber, dass es Staaten gibt die nun ganz gerne unseren aktuellen Lebensstil kopieren würden?

Ich finde, dass es ganz schlecht ist, dass wir uns immer als Vorbilder darstellen. Oft heißt es, wir sind die entwickelten Länder, die Industrieländer. Und dass wir den Standart vorgeben würden. Das darf nicht sein. Wir müssen noch eine ganze Menge lernen. Ich will nicht sagen, dass ist gut ist, dass Indien so viele Menschen auf engen Raum bekommt, aber wir sollten uns schon überlegen, warum wir das denn nicht hinkriegen. Und wie weit wir denn inzwischen unseren Komfort als unsere Priorität gesetzt haben. So dass wir jetzt mit der Nachhaltigkeit echt hinten dran sind. Wir sollten nicht für den Rest der Welt das Vorbild spielen.


Aber es gibt ja Menschen die gerne diesen Lebensstandards hätten, den wir haben.

Das stimmt. Und genau deswegen ist es schon ungerecht, dass wir diesen Lebensstandart haben, weil es mit allen Menschen so nicht funktionieren würde.

Was müsste sich deiner Meinung nach an der aktuellen Situation ändern?

Das ist sehr schwierig zu sagen. Das ist eine ganz große Menge. Und ich kenne mich bei Weitem nicht mit allem gut genug aus, um zu wissen, was genau. Was ich sagen kann, ist wo ich einen Verbesserungsbedarf sehe.
Z.B. in meinem Bereich und auch in dem meines Studiums ist es klar, dass wir sehr viel mehr Wald brauchen. Oder Grünflächen generell. Sobald Wald komplett abgeholzt wird, verändert sich alles in diesem Habitat. Und dann ist es ganz schwer, wieder neue Bäume anpflanzen. Und deswegen dauert es Jahrzehnte bis Jahrhunderte bis wir Wälder wieder komplett erstellen können. Und z.B. breitet sich die Sahara immer mehr aus. Die Randbereiche, die früher noch grün waren, werden jetzt entweder abgeholzt, oder werden vom Subklima der Sahara überrannt und zurückgedrängt. Und damit müssen wir sehr bald anfangen, weil wir diese Bereiche sonst nicht mehr zurückbekommen. Das ist auch ein Grund warum ich Förster werden will. Ich glaube da wird es in Zukunft sehr viel Bedarf an Fachkräften geben. Sonst glaube ich, dass wir das ganze CO2 das wir schon wieder ausgeblasen haben, nicht wieder abgebaut bekommen. Und dafür brauchen wir Bäume und andere grüne Pflanzen. Algen wären auch noch in Ordnung. Aber das sind alles so Sachen, bei denen wir jetzt handeln müssen, weil es sonst zu spät ist.

Meinst du, dass finanzielle Anreize für Länder, die von diesen Maßnahmen betroffen wären, eine sinnvolle Möglichkeit wären, um sie zu motivieren wieder mehr Aufwand in die Wiederaufforstung zu investieren?

Ja, es wäre auf jeden Fall sinnvoll, wenn es Anreize gibt. Aber ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, sie mit Geld anzulocken. Weil ich weiß nicht genau, was mit dem Geld passiert, wenn es dahin kommt und bei wem es ankommt. Ob es wirklich dafür eingesetzt wird. Und als Entwicklungshilfe große Mengen Geld zu verschieben, hat sich leider als nicht so nachhaltig erwiesen. Natürlich müssen wir es in den Griff bekommen, dass immer mehr abgeholzt wird, genauso wie es wichtig ist, dass wieder aufgeforstet wird. Auf jeden Fall muss man Anreize schaffen. Aber ich weiß leider nicht wie.

Wie reagierst du auf das Argument, dass ein einziger Mensch doch eh nichts ändern könnte?

Das merke ich auch oft selber. Wenn ich denke, ob ich jetzt auf dieses Stück Fleisch verzichten soll, oder auf die Plastikverpackungen. Die sind mein größtes Manko, wenn es darum geht, selber nachhaltiger zu leben. Daran merke ich, wie wichtig es ist, die Message auch nach außen zu tragen. Ich respektiere jeden Menschen, der es schafft, mit sich und für sich nachhaltiger zu leben, aber das ist genau der Punkt, an dem ich mir denke, dass ich mehr machen muss, um andere Menschen zu erreichen. Da ist das Potenzial sehr viel größer. Wenn ich viele andere Menschen erreiche, kann ich viel mehr schaffen, als wenn nur ich alleine versuche, nachhaltiger zu leben. Was ich natürlich trotzdem versuche. Denn ich will mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass es möglich ist.

Inwiefern hat sich dein Alltag im Vergleich zu früher verändert?

Ich hatte zu dem Zeitpunkt nicht wirklich einen geregelten Tagesablauf. Jede Woche war anders. Das ist inzwischen mit Corona natürlich eine komplett andere Sache. Generell ist es sehr zeit- und gedankenaufwändig. Man kann nicht sagen, dass einmal die Woche Plenum und einmal die Woche eine Aktion ist und man sich nur diese Zeit nimmt, weil es schon das komplette Leben verändert. Und es ist auch ein Meinungsprozess. Ich bin ja nicht stehen geblieben und mache jetzt bei FFF und Ende Gelände mit, sondern bin auch jederzeit bereit, meine Meinung zu ändern. Und deswegen sehe ich mich auch in der Pflicht, mich ständig weiterzubilden und ständig neue Argumente zu hören, weil ich sonst in dieser Position verkümmere. Und dieser Prozess ist sehr anstrengend.


































Wie sollen wir denn alle überzeugen, wenn wir nur mit unserer Blase reden.
Dann erreichen wir nichts. Wir müssen an die Anderen ran, die wir noch nicht gewonnen haben.
Und mit denen reden. Das ist allerdings viel weniger schön.
Da ist es natürlich viel schöner mit den anderen Mitgliedern z.B. aus dem solidarischen Netzwerk zu reden.
Alles Andere ist harte Arbeit. Aber es hilft nichts.
Nur so kommen wir weiter.
(Ernsts Antwort auf die Frage, wie die Ziele der Aktivisten erreicht werden könnten.)